Geschichte

Quelle: Sebastian Koerner

Als im Jahr 2000 - etwa 150 Jahre nach der Ausrottung der Art in Deutschland - die ersten freilebenden Wolfswelpen auf einem Truppenübungsplatz im Nordosten Sachsens geboren wurden, begann die natürliche Rückkehr der Wölfe nach Deutschland. Die neue Nachbarschaft mit den seltenen, bis dahin weitgehend aus Märchen bekannten Tieren, stellte die örtliche Bevölkerung, besonders die TierhalterInnen, aber auch die Naturschutzbehörden vor eine Herausforderung. Das Wissen über den Umgang mit Wölfen in der Kulturlandschaft Mitteleuropas musste erst wieder neu erlernt werden.

Hier beginnt auch die Geschichte des LUPUS Institutes für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland. Als freiberuflich arbeitende Biologin recherchiert Gesa Kluth seit 1999 zum Vorkommen von Wölfen in Westpolen und Ostdeutschland. Nach Bekanntwerden des Wolfsrudels auf dem Truppenübungsplatz Muskauer Heide erhält sie im Sommer 2001 von der Bundesforstverwaltung die Möglichkeit, auf dem militärisch genutzten Gelände ehrenamtlich Daten zu den Wölfen zu sammeln. Das Interesse der örtlichen Bevölkerung, sowie der allgemeinen Öffentlichkeit an den Tieren ist groß. Daher beginnt sie, Vorträge zu halten und die Presse mit Informationen zu den Wölfen in der Oberlausitz zu versorgen. Seit 2001 kann auch die Biologin Ilka Reinhardt, die zu der Zeit nach mehrjähriger Mitarbeit in verschiedenen Projekten der Carnivoren-Forschung vorübergehend als Programmiererin arbeitet, zunehmend Zeit in die Recherche von Wolfshinweisen im deutsch-polnischen Grenzgebiet investieren.

Im Frühjahr 2002 gibt es den ersten größeren Schadensfall an Nutztieren im Umkreis des Muskauer Heide Rudels. Gesa Kluth und Ilka Reinhardt fahren spontan zum Ort des Übergriffs und unterstützen den Nutztierhalter beim Schutz seiner Herden. Aufbauend auf diesen Einsatz erhalten sie 2002 vom Sächsischen Umweltministerium den Auftrag, mit allen hauptberuflichen SchafhalterInnen der Region angepasste Schutzmaßnahmen gegen Wolfsübergriffe für deren Tierhaltungen zu besprechen.

Ein halbes Jahr später, Ende 2002, gründen sie die „Reinhardt & Kluth GbR“ mit dem Beinamen „Wildbiologisches Büro LUPUS“, zunächst mit Sitz im Ortsteil Neustadt/Spree der Gemeinde Spreetal. Im Mai 2004 zieht die GbR in den Ortsteil Spreewitz um und ändert 2014 den Beinamen in „LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland“.

In den folgenden Jahren erfüllt das LUPUS Institut dann zunächst im Auftrag des Sächsischen Umweltministeriums ein breites Spektrum an Aufgaben rund um die Rückkehr der Wölfe nach Sachsen: Ein Fokus liegt auf der Öffentlichkeitsarbeit, um die Menschen der Gegend über Wölfe zu informieren. Wichtigste Grundlage für die Information der Öffentlichkeit ist die regelmäßige Erfassung von Daten zum Wolfsvorkommen – das Wolfsmonitoring. Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Beratung von NutztierhalterInnen beim Schutz ihrer Herden dar, aber auch die fachliche Begutachtung von Schafen und Ziegen, die von Wölfen getötet worden sein könnten. Als 2004 in Rietschen ein staatlich gefördertes Kontaktbüro (zunächst unter dem Namen Kontaktbüro „Wolfsregion Lausitz“, später „Wölfe in Sachsen“) gegründet wird, dessen Aufgabe es ist, die Bevölkerung, Behörden und Medien umfassend über die Entwicklung der Wölfe und die Auswirkungen ihrer Rückkehr zu informieren, kann das LUPUS Institut die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit reduzieren. 2007 folgt die Einstellung eines staatlichen Herdenschutzbeauftragten am Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft und ab 2008 wird die Aufgabe, Schäden an Nutztieren zu untersuchen, schrittweise an geschulte MitarbeiterInnen der Landkreise in Sachsen abgegeben. So ist es ab 2012 für das LUPUS Institut möglich, die Arbeitsschwerpunkte anders zu setzen und das Monitoring und die Erforschung der Wölfe in den Mittelpunkt zu stellen. Die Arbeiten zum Wolfsmonitoring in Sachsen werden seit 2006 im Auftrag des Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz (SMNG) durchgeführt, das seinerseits vom Sächsischen Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft beauftragt wurde. Im Jahr 2019 erfolgt eine Umstrukturierung des sächsischen Wolfsmanagements und die Gründung der Fachstelle Wolf am sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Seitdem arbeitet das LUPUS Institut im Auftrag des SMNG für das Landesamt.

Durch den Beginn der räumlichen Ausbreitung der Tiere mit einer Zunahme sowohl der Territorien in der Lausitz, als auch der abwandernden Wölfe, die in anderen Bundesländern auftauchten, bekam das vom LUPUS Institut durchgeführte Wolfsmonitoring in der sächsischen Lausitz immer mehr Relevanz auch für andere Bundesländer. In einigen Fällen erhielt das LUPUS Institut Aufträge für das Monitoring in weiteren Bundesländern. So wird das Monitoring im Südosten von Brandenburg seit 2006 vom LUPUS Institut als Auftragnehmer durchgeführt, zunächst finanziert vom IFAW (Internationaler Tierschutz-Fonds gGmbH), später vom Landesamt für Umwelt, Brandenburg.

Seit 2004 bildet die telemetrische Überwachung einzelner Wölfe für das LUPUS Institut eine sehr wertvolle Informationsquelle zum besseren Verständnis der Lebensweise von Wölfen in der Kulturlandschaft. Dafür werden einzelne Wölfe gefangen und mit Hilfe von Halsbändern, die Ortungssignale verschicken können, überwacht. Im Laufe der Jahre hat das LUPUS Institut vor allem in Sachsen, aber kurzzeitig auch in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, für verschiedene Auftraggeber Projekte zum Abwanderungs- und Ausbreitungsverhalten sowie dem Raum-Zeit-Verhalten von territorialen Wölfen durchgeführt.

Die Weitergabe des Wissens und der Erfahrungen wurde mit den Jahren immer wichtiger. Im Jahr 2005 hat das LUPUS Institut begonnen, gemeinsam mit der Wildnisschule Wildniswissen Seminare zum Erkennen und Dokumentieren von Wolfshinweisen anzubieten, die auch heute noch jährlich stattfinden.

Im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz erarbeitete das LUPUS Institut ein Fachkonzept für den Umgang mit Wölfen in Deutschland, welches 2007 erschien. Es bildete die wissenschaftliche Grundlage für spätere Wolfsmanagementpläne in Deutschland. Im Jahr 2009 folgten die Standards für das Monitoring von Wolf, Luchs und Bär in Deutschland, die im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz von einer Expertengruppe unter Einbeziehung internationaler Fachleute erarbeitet worden sind. Für den Wolf hat das LUPUS Institut das in Deutschland gesammelte Wissen und die Erfahrungen eingebracht. Heute sind die Monitoringstandards (zuletzt aktualisiert und neu aufgelegt im Jahr 2015) eine zentrale und unverzichtbare Arbeitsgrundlage für alle Institutionen, die in Deutschland im Monitoring von Großkarnivoren arbeiten.

Mit dem Ziel, die Behörden von Bund und Ländern bei Fragen zu wildlebenden Wölfen umfassend fachlich beraten zu können und die in den Bundesländern jährlich erhobenen Daten zu den Wolfsvorkommen bundesweit zusammenzuführen, auszuwerten und für die Öffentlichkeit verfügbar zu machen, wird 2016 das Projekt "Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf" (DBBW) ins Leben gerufen. Das DBBW-Projekt wurde zunächst auf Probe für drei Jahre an ein Konsortium unter der Leitung des Senckenberg Museums für Naturkunde Görlitz zusammen mit dem LUPUS Institut, dem Fachgebiet Naturschutzgenetik am Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt, Standort Gelnhausen und dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin vergeben. Nach diesem Probebetrieb wurde im Jahr 2019 der Weiterbetrieb der DBBW bis 2025 im Rahmen einer europaweiten öffentlichen Ausschreibung durch das Bundesamt für Naturschutz beauftragt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz und das Bundesamt für Naturschutz finanzieren und betreuen das DBBW-Projekt.

Über die Mitwirkung in verschiedenen Projekten und Konsortien ist das LUPUS Institut auch international gut vernetzt. Ilka Reinhardt ist seit 2005 Mitglied der „Large Carnivore Initiative for Europe“ (LCIE), einer IUCN / Species Survival Commission (SSC) Specialist Group. Darüber hinaus gehört das LUPUS Institut seit dessen Gründung dem CEwolf Konsortium an, in dem die für das genetische Wolfsmonitoring verantwortlichen Institutionen aus acht Staaten zusammengeschlossen sind, die aktuell einen Anteil an der Mitteleuropäischen (Central European; CE) Population des Wolfs haben.